TTIP und CETA – warum nicht?

28. Oktober 2014

Zur Zeit ist viel die Rede von den sogenannten „Freihandelsabkommen“ TTIP („Transatlantic Trade and Inverstment Partnership“) zwischen den USA und der Europäischen Union, sowie dem mit Kanada verhandelten, gleichartigen Abkommen CETA (Canada-Europe Trade Agreement). Die Bürger, zumindest die, die informiert sind, laufen Sturm dagegen. Am 11. Oktober war ein Europa-weiter Aktionstag gegen TTIP, eine Europäische Bürgerinitiative wurde von der Europäischen Kommissiuon mit fadenscheinigen Argumenten abgewürgt – und hat sich nun als unabhängige Europäische Bürgerinitiative gegründet.

Warum sind so viele Menschen gegen diese Abkommen ? Freier Handel ist doch gut für alle, oder ?

Um es kurz zu sagen: Es geht bei diesen Abkommen kaum noch um freien Handel, es geht um ganz andere Dinge. Es ist der Versuch, die Demokratie und den Rechtsstaat großenteils abzuschaffen und durch die Diktatur der Mächtigen, der internationalen Konzerne zu ersetzen. Ein bisschen dick aufgetragen, meinen Sie ? Dann schauen Sie sich mal an, was da verhandelt und ausgemacht wird und urteilen Sie dann selbst.

Freier Handel: Zwischen den USA und der Europäischen Union gibt es kaum noch Zölle. Sie ganz abzuschaffen, ändert kaum noch etwas. Als „Handelhemmnis“ werden vielmehr die unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften in den einzelnan Staaten angeführt. Die sollen nun weitgehend angeglichen werden. Auf welchem Niveau das passieren wird, kann man sich leicht ausrechnen – auf dem niedrigsten.

Ein Beispiel: In den USA dürfen neue Chemikalien ohne weiteres in den Handel gebracht werden. Erst wenn sich herausstellt, dass sie gesundheitsschädlich oder gar gefährlich sind, müssen sie aus dem Handel genommen werden. In Europa muss jeder Hersteller erst die Unbedenklichkeit nachweisen, bevor er neue Chemikalien auf den Markt bringen darf. Nun raten Sie mal, warum die europäische Chemie-Industrie so sehr an TTIP interessiert ist...

Umgekehrt gibt es auch Befürchtungen in den USA: Neue Medikamente unterliegen dort sehr strengen Zulassungsvorschriften, deren Einhaltung die Behörde (FDA – Food and Drug Administration) scharf kontrolliert. In Europa laufen die Zulassungsbehörden an der Leine der Pharmaindustrie. Mit Recht fürchten die Menschen in den USA, dass die Bestimmungen angeglichen werden.

Ähnliche Befürchtungen gibt es auch hinsichtlich der Zulassung genveränderter Nahrungsmittel und hinsichtlich der Umweltstandards allgemein (Stichwort „Fracking“). Deswegen ist auch der Bund Naturschutz vehement gegen dieses Abkommen.

Aber der gefährlichste Punkt ist das „I“ im TTIP. Da sind nämlich sogenannte „Investitionsschutz-Klauseln“ im Vertrag. Die bestimmen im Prinzip, dass eine Firma, die in einem Land investiert hat und nun wegen geänderter Gesetze weniger Profit macht, die betreffende Regierung auf Schadensersatz für entgangenen Gewinn verklagen kann. So hat bereits der Tabak-Konzern Philipp Morris die australische Regierung auf mehrere Milliarden Euro verklagt, weil die ein Gesetz erlassen hat, dass auf Zigaretten-Packungen drastischer Warnungen vor den Gesundheitsgefahren des Rauchens aufgrdruckt werden müssen. Und das schmälert den Profit der Tabak-Industrie. Die ägyptische Regierung wurde gleich von mehreren Textilkonzernen verklagt, weil sie so dreist war, den gesetzlichen Mindestlohn zu erhöhen. Auf die Weise können die Großkonzerne Regierungen erpressen, die Gesetze in ihrem Sinne zu erlassen (oder nicht zu erlassen).

„Kann bei uns nicht passieren, wir haben doch eine ordentliche Justiz“, werden Sie jetzt denken. Weit gefehlt! Die Klagen werden nämlich nicht vor einem ordentliche Gericht verhandelt, sondern vor einer eigens dafür eingesetzten Kommission. Die besteht im Kern aus drei Mitgliedern, eines von der klagenden Firma geschickt, eins von dem beklagten Staat und einem „neutralen“. Die Verhandlungen sind geheim, gegen das Urteil gibt es keine Revisionsmöglichkeit. Solche Vertragsklauseln gibt es schon zu Hauf weltweit. Sie mögen ja auch ganz sinnvoll sein im Umgang mit Diktaturen und anderen Staaten ohne funktionierendes Rechtssystem. Die EU zählt da nicht dazu. In den USA gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Anwaltskanzleien, die sich auf diese Verfahren spezialisiert haben und damit Millionengeschäfte machen. Eine solche „Schlichtung“ kostet im Durchschnitt etwa 8 Millionen Dollar – die Kosten können aber auch noch wesentlich höher sein. Eine mittelständische Firma kann da nicht mithalten.

Das sind nur ein paar der Gefahren, die uns durch die „Freihandels“-Abkommen drohen. Aber warum will die Europäische Kommission dann die Abkommen abschließen ?

Angeblich soll dadurch in den nächsten Jahren das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden, es sollen Hunderttausende neuer Arbeitsplätze entstehen. Man muss nicht Volkswirtschaft studiert haben, um zu erkennen, dass das Unsinn ist. Gesunder Menschenverstand reicht. Wenn die USA etwas billiger liefern können, dann wird davon auch nicht mehr gekauft. Und umgekehrt. Es wird absehbar darauf hinauslaufen, dass der noch stärkere Konkurrenzdruck weiter zum Abbau von Arbeitnehmer-Rechten und zu Lohndumping führen wird. Ein von der Europäischen Kommission beauftragtes Wirtschaftsforschungsinstitut hat errechnet, dass der jährliche Zuwachs des Brutto-Inlandsprodukts durch TTIP um ca. 0,06% gesteigert wird – also nicht nachweisbar.

Und wer Fakten sehen will – bitte sehr: Schon seit 20 Jahren gibt es das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA. Auch damals hieß es, der Handel sollte intensiviert und es sollten Hunderttausende neue Arbeitsplätze in allen drei beteiligten Staaten entstehen. Ergebnis: Der Handel verdreifachte sich. Aber gleichzeitig wurden in Mexiko und in den USA Arbeitsplätze vernichtet; in den USA sind dies etwa eine Million vorher meist besser bezahlter Industriearbeitsplätze. General Electric lagerte 4 900 Arbeitsplätze nach Mexiko und Kanada aus, Chrysler 7 700. Insbesondere Mexiko wurde zur verlängerten Werkbank für ausländische Konzerne. Sie investierten wegen der niedrigen Löhne in „Maquiladoras“, Montagebetriebe, für die Endfertigung vor allem von Textilien und Elektrogeräten aus importierten Vorprodukten.

Die subventionierten Nahrungsmittel aus den USA und der EU und neue industrielle Agrarkomplexe führten zum Ruin der für Mexiko bis dahin prägenden klein- und mittelbäuerlichen Landwirtschaft: Es wurden in der Landwirtschaft eine knappe Million mehr Arbeitsplätze vernichtet, als in den Maquiladoras geschaffen wurden. NAFTA enthält auch die private Schiedsgerichtsbarkeit, die von US-Konzernen häufig genutzt wird, etwa gegen Fracking-Einschränkungen in Kanada.

Ein breites Bündnis – von den Kommunalen Verbänden in Bayern über die Gewerkschaften bis zum Bund Naturschutz – ist gegen TTIP und CETA. In Würzburg haben sich eine Reihe besorgter Bürger zusammengesetzt und die „Würzburger Erklärung“ formuliert. Viele Organisationen und hunderte von Einzelpersonen haben sie bereits unterzeichnet. Bitte, lesen Sie die Erklärung durch und schließen Sie sich dem Widerstand gegen diese Abkommen an.

Dr. Ernst Conzelmann

Die Würzburger Erklärung "Menschen, Umwelt und Demokratie vor Profit und Konzerninteressen" finden Sie hier!

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